Oberfläche/Anstrich/Farbe Der dritte Weg

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DEUTZI
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Oberfläche/Anstrich/Farbe Der dritte Weg

Beitrag von DEUTZI »

Die originale Oberfläche unserer historischen Motoren zu erhalten ist natürlich die Beste Lösung. Dieses gelingt nicht immer und so gibt es in unseren Reihen auch Motoren mit einem neuen Kunstharzlackanstrich. Es ist sehr gut, dass Einigkeit darüber besteht, beides nebeneinander zu tolerieren.
Der dritte Weg wäre eine Beschichtung aufzubringen, wie es zu damaligen Zeiten üblich war.
Nachdem ich mich eine ganze Weile mit diesem Thema befasst habe, möchte ich einige Erkenntnisse dazu berichten.
Was ist Farbe? Es ist ein Farbpulver (Pigment) und irgendetwas zum Festkleben dieses Pulvers (Binder). Wenn ich also zwei Ziegelsteine aneinander reibe, bekomme ich ein lichtechtes, ziegelrotes Pigment. Wenn ich Tapetenkleister als Binder nehme, kann ich damit das Pulver auf einer Oberfläche festkleben, in diesem Fall nicht wasserfest. Als Binder hat man z.B. Öl aus Leinsaat gepresst und hat mit diesem Öl (es hat die Eigenschaft zu trocknen) und Pigmenten seit Jahrhunderten Dinge angestrichen (in feinster Ausführung Ölgemälde) – also Ölfarbe. Als Binder hat man auch Harze verwendet (Naturharze). Diese Harze sind wie Bernstein früher zähflüssig gewesen und über die Jahrtausende hart geworden. Als die Kolonialzeit begann (oder schon früher?), hat man z.B. im Kongo für die Farbherstellung sehr brauchbare Harze gefunden und hat damit Öllacke hergestellt. Das war wohl der modernste Schrei, seinerzeit der beste Anstrich und somit sind viele Maschinen damit angestrichen worden. Obwohl Spritzpistolen schon bekannt waren, sind die Maschinen mit dem Pinsel gestrichen worden. Die Maler gingen bis etwa Mitte 20. Jhdt. in die Werkstätten der Schlosser, Tischler etc. und strichen dort die Teile an, da war es nicht angesagt, die Teile zu spritzen, denn der Tischler z.B. jammerte, der Maler hätte seine guten Böcke mit Farbe vollgeplürrt. Die Maschinenfabriken hatte wohl ihre eigenen Maler, welche in den Produktionshallen die Teile angestrichen haben. (Spritznebel wäre undenkbar gewesen)
Maler.jpg
Maler.jpg (33.88 KiB) 2083 mal betrachtet
Maler in einer Maschinenfabrik um 1910/1920.
Die Naturharzzeit ging zu Ende, als man künstliche Harze herstellen konnte (Kunstharz).
Ich restauriere seit längerer Zeit zwei DEUTZ-Motoren, der ehemals schwarze MKH (1928) wurde von den Vorvorbesitzern mit seltsamer Farbe schweinchenrosa über alles gestrichen, der ehemals braune MIH (1934) vom Vorbesitzer schwarz über den Rost gestrichen. Bei beiden Motoren waren unter dem Typenschild Pinselspuren zu sehen.
Meine Malerbibel ist von 1930.
Es gibt zwei Arten des historischen Farbaufbaues. Da man bei Gussteilen noch nicht so saubere, glatte Oberflächen herstellen konnte, wurden diese Teile (Nicht unbedingt alle, aber die wichtigen Teile/Schauseiten) gespachtelt.
Spachtel.jpg
Spachtel.jpg (67.96 KiB) 2083 mal betrachtet
Zwischenschritt einer Spachtelung - mit einem Pinsel aufgetragen.
Alle anderen Teile bekamen einen Anstrich ohne Spachtelung. Ich konnte bei Beginn meiner Arbeiten einen Copallack bei einer Farbmühle kaufen, damit habe ich dann alle Grundierungen, Spachtelmassen und Endbeschichtungen hergestellt. Zwischendurch sagte ich zu mir, warum wählst du so einen aufwändigen Weg. Das Trocknen dauert doch bestimmt Wochen und schleifen wird auch eine Katastrophe. Doch eine jeweilige Spachtel- bzw. Farbschicht trocknete innerhalb weniger Tage, ließ sich wunderbar schleifen (ohne die blöden Lackläuse auf dem Schleifpapier) und war ein wunderbares Erlebnis. Staubkrümel, welche sich auf den frischen Anstrich legten, klebten nicht fest und hinterließen auch keine Markierungen (malerfreundlich). Diese gestrichene Oberfläche fühlt sich seidig an, ein Gefühl, welches ich von keinem anderen Lack kenne. Vor einiger Zeit benötigte ich noch Copallack, die Farbmühle konnte jedoch keinen mehr liefern. Die Internetrecherche ergab weltweit keine Liefermöglichkeit. Selbst in einem Forum für Saiteninstrumente in Canada wurde darüber geklagt, dass besagte Farbmühle aus Deutschland keinen Copallack mehr liefert. Was tun? Ich habe dann versucht, Copale aus dem Kongo zu bekommen, war bisher schwierig und nur in teuren Kleinstmengen zu bekommen. Andere Copale haben nicht gleichwertige Eigenschaften. Copale sind schwierig zu verlacken. Für meine kleinen Restarbeiten habe ich nun jedoch wohl eine Herstellmöglichkeit gefunden und werde demnächst testen, ob es ebenbürtig aussieht. (Wenn jemand noch aus einem uralten Malergeschäft echte Kongo-Copale hat, bitte ich um Nachricht!) Eins ist klar: Solch ein „Originallack“ wird (wie die historischen Lacke) irgendwann Risse bekommen und eventuell werden auch kleine Spachtelpartien ausbrechen – eben wie wir es von den alten Oberflächen kennen.
Lackküche.jpg
Lackküche.jpg (81.15 KiB) 2083 mal betrachtet
Lackküche, etwa 1932
DEUTZI
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Re: Oberfläche/Anstrich/Farbe Der dritte Weg

Beitrag von DEUTZI »

Fortsetzung:
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Gestrichene Oberfläche Maschinefabrik Kirchner aus Leipzig 1931
IMG_20210630_144528kl.jpg
IMG_20210630_144528kl.jpg (118.62 KiB) 2081 mal betrachtet
dito. näher dran
Man sieht die Spachtelschicht, machnmal dicker, machmal Lunker zudeckend
Pickelige Oberfläche: kein Problem!
DEUTZI
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Re: Oberfläche/Anstrich/Farbe Der dritte Weg

Beitrag von DEUTZI »

Fortsetzung
Himmelwerk.jpg
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Pinselspuren Elektromotor (Himmelwerk?) 1931
Landsberger.jpg
Landsberger.jpg (64.49 KiB) 2081 mal betrachtet
Landsberger (2).jpg
Landsberger (2).jpg (101 KiB) 2081 mal betrachtet
Pinselspuren Maschinenfabrik Landsberger Mannheim 1931
DEUTZI
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Re: Oberfläche/Anstrich/Farbe Der dritte Weg

Beitrag von DEUTZI »

Fortsetzung
MKH 239.jpg
MKH 239.jpg (82.76 KiB) 2081 mal betrachtet
MKH mit neuer, alter Oberfläche, gestrichen (Pigment Eisenoxidschwarz)
Oberflächenbeispiel siehe auch Druckflasche viewtopic.php?f=9&t=7092&start=20
Bei den gezeigten Bildern von Kirchner, Landsberger etc. muss man sich vorstellen, dass diese Farben durch das Alter verblasst sind. Im Lieferzustand waren sie so frisch schwarz, wie z.B. die gezeigte Oberfläche der Druckluftstahlflasche --- und so sind die Maschinenfabriken von Weltruf mit ihren Maschinen auf die Weltausstellungen getiegert.
Seid gegrüßt von DEUTZI
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Re: Oberfläche/Anstrich/Farbe Der dritte Weg

Beitrag von DEUTZI »

Nachtrag:
2017 04 10 Br 003cutkl.jpg
Kappe über dem Einlassventil für den braunen MIH und den schwarzen MKH.
Die Spachtelung absichtlich nicht perfekt und schon bald zu wenig Pinselspuren.
DEUTZI
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Re: Oberfläche/Anstrich/Farbe Der dritte Weg

Beitrag von DEUTZI »

Hallo zusammen,
dieses Bild zeigt Dammarharz. So kann man sich vorstellen, wie eigentlich solche Naturharze aussehen. Dieses Dammarharz, ist für die o.g. Zwecke nicht geeignet. Die Stücke des Copalharzes sehen anders aus.
Dammarharz.jpg
Dammarharz.jpg (95.79 KiB) 1980 mal betrachtet
Viele Grüße DEUTZI
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Langsamlaeufer
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Re: Oberfläche/Anstrich/Farbe Der dritte Weg

Beitrag von Langsamlaeufer »

Hallo Deutzi,

sehr interessanter Bericht. Und die Arbeiten sehen sehr gut aus.
Folgende Fragen hätte ich:

1. Ist das Lösungsmittel für das Copalharz Spiritus?
2. aus was und welcher Mischung bestehen Deine Grundierungen,
Spachtelmassen und der finale (schwarze) Anstrich?
3. Mischt Du jedesmal neu an, oder kann man die Mischungen
aufbewahren?
4.Hast Du Erfahrungen mit "partieller" Restaurierung? oder muß alles
ab und kpl. "neu"

Danke schonmal für die Antworten und Gruß in die Runde.
Wer seine Schwerter zu Pflugscharen schmiedet, wird schon bald damit das Feld seines neuen Herren pflügen
DEUTZI
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Re: Oberfläche/Anstrich/Farbe Der dritte Weg

Beitrag von DEUTZI »

Hallo Langsamläufer,
ganz vorweg, es gibt ja wohl keinen Lieferanten mehr für Copallack und das ist eigentlich das Problem.
Zu Deiner 1. Frage:
Das Harz wird geschmolzen und im Schmelzprozess mit Leinöl zu einem Lack verarbeitet, also kein Lösungsmittel.
Generell wird Leinöl und eben auch der Copallack mit Balsamterpentinöl (BTÖ) verdünnt. Ich hatte immer portugiesisches BTÖ, aber neuerdings wird keine Herkunftsangabe mehr gemacht. (Womöglich geht auch Terpentinersatz)?
Zu Deiner 2. Frage:
Jetzt kommt erst mal eine Beantwortung nur zum Copallack ohne Pigmente: Also jeder Anstrich wird von mager nach fett eingestellt - wie jeder Ölfarbenanstrich, ob Gartenzaun oder Ölgemälde. Das bedeutet, man nimmt etwas Copallack in z.B. eine Marmeladenglas mit Deckel und macht nach Gefühl einen Schwupp BTÖ dazu, so etwa 15 - 20 %. Das ist dann für die Grundierung bzw. 1. Anstrich. Für die nächste Schicht nimmt man weniger BTÖ und für jede weitere Schicht wird der BTÖ-Anteil verringert.
Jetzt kommt die Beantwortung zu den Pigmenten: (Das kann ich hier nicht alles abhandeln, es ist das Wissen des damaligen Lehrberufs Maler, also z.B. welche Pigmente lichtecht sind, welche Pigment nicht zusammen in einem Anstrich genommen werden dürfen, weil sie sich gegenseitig angreifen etc., welche Pigmente sich nicht mit dem gewählten Bindmittel vertragen usw.) Für eine graue Grundierung wird also ein graues Pigment zu dem o.g. Mischungsverhältnis zugesetzt. Das heißt, eine kleine Konservendose, zwei, drei Essllöffel von dem Copallack (15 - 20%) und etwas Pigment dazugeben und mit dem Pinsel verrühren. Zur Probe auf einem Stück Pappe einen Probestrich - es muß lasierend sein, nicht zu viel Pigment und schon hat man die Grundierung. Den Pinsel stellt oder hängt man (ohne saubermachen) in ein Gefäß mit Deckel und BTÖ, so kann man ihn monatelang gebrauchen.
Als nächste Schicht wird die Spachtelmasse aus o.g. Copallack (mit wie gesagt etwas weniger BTÖ) mit Pigmenten und Füllstoffpigmenten (wie z.B. Steinmehle) pastos angerührt und aufgetragen (Spachtel oder Pinsel). Wenn es dann noch nicht reicht, kommt eine weitere Spachtelschicht (BTÖ-Anteil vermindern) und natürlich schleifen, schleifen,.... Früher hat Zeit fast nichts gekostet, also schleifen.
Der z.B. schwarze Anstrich ist wieder Copallack (mit wieder vermindertem BTÖ-Anteil) und z.B. eisenoxidschwarzem Pigment, wie bei der Grundierung erklärt, nicht zuviel Pigment (kann man schlecht erklären, ist eine Erfahrungssache). Mit schwarz habe ich mehrere Schichten gemacht.
Zu Deiner 3. Frage:
Ich mische also niemals die gesamte Farbmenge auf einmal an (wie man es bei Dose auf und pinseln gewohnt ist) sondern das geht immer kontinuierlich weiter, ein bischen aus dem Marmeladenglas, ein bischen Pigment. Wenn ich beim Streichen merke, ich habe zu wenig Pigment, stuppse ich auch schon mal den Pinsel ins Pigment und streiche weiter, ganz einfach. Man muß natürlich die jeweilige Schicht gut verteilen, nach einer Weile (10 Minuten) nochmal verschlichten.
Dadurch ist zum Schluß die Farbe immer aufgebraucht, ich lagere sie nicht im angerührten Zustand.
Zu Deiner 4. Frage:
Keine Ahnung, ob ein ausflicken von Fehlstellen funktioniert.

Also, es gehört für eine gute Oberfläche schon etwas Erfahrung dazu.
Viele Grüße von DEUTZI
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Standuhr
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Re: Oberfläche/Anstrich/Farbe Der dritte Weg

Beitrag von Standuhr »

Hallo Deutzi,
das ist natürlich eine Restauration bis ins kleinste Detail (Stradivari :mrgreen: )und auch richtig. Ich habe im Netz mal etwas recherchiert; muß das unbedingt Copalharz aus dem Kongo sein,Harze gab es ja auf fast allen Erdteilen, klar mit unterschiedlichen Eigenschaften. Wenn man da etwas herum googelt stellt man fest das solche Harze auch nicht ganz billig sind,wird halt nicht mehr so gebraucht wie vor hundert Jahren!
Ich hatte schon viele Elektromotore ,Werkzeug und Holzbearbeitungsmaschinen die alle gespachtelt waren und beim Schleifen eine Weihrauchduft versprühten :? ;jetzt weiß ich warum! :roll: Manchmal kam ein katastrophaler Hinterhofguß zum Vorschein. Vor hundert Jahren war die Arbeitskraft billig und tagelanges Spachteln und Schleifen daher kein Problem.Gut ob ich jetzt einen originalen Zustand mit modernen oder originalen Material erzeuge ist jedem selbst überlassen,deine Beispiele schauen aber auf jeden Fall schön aus!

Der Elektromotor H T ist Himmel Tübingen


https://de.wikipedia.org/wiki/Gottlob_Himmel


Die Firma gibt es ,mehr oder weniger ,immer noch:


https://currax.net/de/himmel-getriebemo ... gJRO_D_BwE

P1000569.JPG
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Meine neue Ständerbohrmaschine strahlt auch wieder im Seidenglanz aber vermutlich länger da 2k als mit Copalharz.
P1000583.JPG

Gruß Klaus
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